Dudelsackspieler auf der Landshuter Hochzeit

Musikalische Eindrücke aus dem Mittelalter

Musik verbindet. Das gilt nicht nur für unsere heutige Gesellschaft – auch für die Menschen im europäischen Mittelalter. Die Musik ist schon immer Ausdruck von Gefühlen wie Liebe, Freude oder Kummer. Ein musikalischer Streifzug durch das mittelalterliche Europa und darüber hinaus.

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25. September 2018  /  Wissenswertes

Seit Menschengedanken ist Musik ein zentraler Bestandteil jeder Zivilisation. Auch wenn nicht immer Zeugnisse überliefert sind, so ist die Erzeugung von Tönen und Geräuschen denkbar einfach. Musiziert wurde und wird sowohl allein als auch in der Gruppe. Jung und alt. Reich und arm. Frau wie Mann.

Das älteste uns bekannte Instrument ist die menschliche Stimme. Dicht gefolgt von einfachen Flöten und Trommeln sowie Klangkörpern wie Stalagmiten und Stalaktiten in Höhlen. Vielleicht diente Musik in ihrer frühesten Erscheinung sogar als erste Kommunikationsart überhaupt. Auch heute noch wird sie für die Vermittlung von – zum Teil versteckten – Informationen genutzt wie kein anderes Medium.

Kirchlicher Gesang

Die bekannteste und gleichzeitig erste Erscheinungsform der mittelalterlichen Musik ist wohl der gregorianische Choral (benannt nach Papst Gregor I., 540 bis 604). Der Choral ist ein einstimmiger Gesang. Ursprünglich wurde er in der Liturgie der römisch-katholischen Kirche verwendet. Gesungen wurde unbegleitet und in Latein. In karolingischer Zeit erfuhr der Gesang verschiedene Transformationen und wurde weiterentwickelt – der Beginn der zweistimmigen Mehrstimmigkeit.

Heutzutage wird der gregorianische Choral, obwohl von der Kirche immer noch empfohlen, sehr wenig bis überhaupt nicht in der Liturgie verwendet. Allerdings finden sich immer wieder Interpreten, die Alben mit vergleichbar großem Erfolg veröffentlichen.

Von Troubadouren und Minnesängern

Eine Entwicklung von Volksliedern, Tänzen und Spielmannsmusik im Frühmittelalter lässt sich nur schwer erfassen. Quellen aus dieser Zeit sind rar. Ein Novum in der Musikgeschichte des Mittelalters setzte dann im 11. Jahrhundert ein: In Frankreich gaben die sogenannten Troubadoure den Gesang in okzitanischer und altfranzösischer Sprache zum Besten.

Wenige Zeit später entwickelte sich dann der Minnegesang im Mittelhochdeutschen. Der Minnesang (Minne aus dem Mittelhochdeutschen bedeutet „liebevolles Gedenken“, also die Verehrung einer meist hochgestellten Dame) wurde an den fränkischen und alemannischen Höfen gepflegt.

Als beliebte Lyrikform entwickelte sich der Gesang mit musikalischer Begleitung schnell zu einer Form des Wettkampfs innerhalb der höfischen Ritterkultur. Die raffinierten Metren und Reime richteten sich an eine verehrte Dame und ließen den hochadeligen Ritter glänzen. Allerdings stellt der Minnesang keinen romantischen Gefühlsausdruck dar. Vielmehr ist er als ein ritterlich-ethisch geprägtes Ritual anzusehen.

Besonders erwähnenswerte Vertreter des Minnesangs sind Walther von der Vogelweide, Oswald von Wolkenstein und Wolfram von Eschenbach.


Der Codex Manesse

Die wichtigste und berühmteste Liederhandschrift des Mittelalters ist der Codex Manesse. Er ist das Ergebnis eines nie abgeschlossenen Sammelvorgangs von mittelhochdeutscher Lyrik. Die Handschrift enthält dichterische Werke in einer bis dato unübertroffenen Gattungs- und Formenvielfalt. Leider fehlen Notationen zu den verfassten Texten.

Heute wird der Codex Manesse in der Universitätsbibliothek Heidelberg aufbewahrt. Er umfasst 426 beschrieben Pergamentseiten mit 138 Bildminiaturen.

Der Codex Manesse ist die wichtigste Liederhandschrift des Mittelalters

Der Codex Manesse ist die wichtigste Liederhandschrift des Mittelalters / Bildnachweis: Universitätsbiliobthek Heidelberg

Mittelaltermusik versus Musik der Mittelalterszene

Noch heutzutage wird mittelalterliche bzw. mittelalterlich-anmutende Musik in unterschiedlichen Formen und Qualitätsansprüchen aufgeführt.

Klar abgrenzen muss man allerdings die historischen Aufführungen, die besonderen Wert auf Authentizität legen, von der sogenannten Musik der Mittelalterszene. Die Musik der Mittelalterszene bietet dabei eine vielfältige Bandbreite an Musikstilen: Bekannte Bands wie In Extremo, Schandmaul und Corvus Corax werden dem Mittelalter-(Folk)-Rock zugerechnet. Diese Musikrichtung ist die Verbindung von Rock bzw. Metal mit mittelalterlichen Instrumenten sowie mittelalterlich anmutenden Texten und Showeinlagen.

Der Pagan-Folk setzt auf Elemente des Neofolks und der Neoklassik sowie der Musik der Mittelalterszene in Verbindung mit elektronischer Musik. Vertreter sind unter anderem Faun, Hagalaz’ Runedance und Omnia.

Eine besondere Aufmerksamkeit erfährt der gregorianische Choral auch seit den 1990er-Jahren als Teil des Gregorianik-Pops. Hier verschmilzt der Gesang mit moderner Chill-Out-Musik. Bekannte Vertreter dieses Musikgenres sind Enigma, Gregorian, Era oder Vangelis.



Ganz nah an der Wirklichkeit

Neben diesen in sich und mit anderen Stilen verschmelzenden Musikströmungen gibt es auch zahlreiche Interpreten, die eine spürbare Nähe zur authentischen Mittelaltermusik suchen:

Die kanadische Musikerin Loreena McKennitt setzt auf archaische Rhythmen und Instrumente des Celtic Folk. Hinzu kommen Einflüsse spanischer und orientalischer Musik (insbesondere des Sufismus). Ihre Musik wird als mystisch und traditionell zugleich beschrieben; sie interpretiert christliche Texte und Hymnen, aber auch klassiche Werke u.a. von Shakespeare. Ihre Veröffentlichungen sind auf internationaler Bühne sehr erfolgreich – so wurde das 2013 erschienene Album „Troubadours of the Rhine“ für einen Grammy Award nominiert. Sie zählt deshalb zu den einflussreichsten Künstler in diesem Genre. Ihre Konzerte führen Sie um den gesamten Globus.

Zu guter Letzt sei noch daas deutsche Ensemble Estampie erwähnt. Der Name geht auf die höfische Tanzmusik des Mittelalters zurück. Zum Einsatz kommen überwiegend mittelalterliche Instrumente ohne elektrische Verstärker. Die Gruppe versteht sich die Inszenierung und Vertonung mittelalterlicher Themengebiete wie die Seidenstraße, geistliche Musik oder skandinavische Balladen.

Auch sehr interessant sind die Musikprojekte „Qntal“ und „Al Andaluz Project„, bei denen Mitglieder von Estampie federführend mitwirken.